Besprechung mit einem Mann und 2 Frauen
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Stadtpsychologie auf der Couch

Stadtpsychologin Cornelia Ehmayer erläutert im Interview ihren methodischen Zugang und verrät, welchen Projekten sie sich demnächst widmet.


 Frau Ehmayer: Wie würden Sie den stadtpsychologischen Zugang beschreiben?

Der stadtpsychologische Ansatz geht davon aus, dass Städte lebendige Wesen sind, die sich nur dann positiv entwickeln können, wenn sich möglichst viele verschiedene Personen aktiv an ihrer Entwicklung beteiligen und engagieren. Denn ähnlich wie Menschen können auch Städte krank werden. Um dies zu diagnostizieren, habe ich die Methode der Aktivierenden Stadtdiagnose entwickelt. Durch dieses qualitativ-sozialwissenschaftliche Verfahren ist es möglich, die Zukunftsfähigkeit von Städten und Gemeinden zu überprüfen.

Wie sieht das konkret aus?

About 0_ip psAm Anfang der Aktivierenden Stadtdiagnose steht immer eine ausführliche Feldforschung mit Bewohnerinnen und Bewohnern. Selbstverständlich werden auch Entscheidungsträger und andere, für die Stadt wichtige Akteure, befragt. Mit dieser Vorgehensweise verstehen wir, wie die Menschen ihre eigene Stadt wahrnehmen. Anschließend analysiert unser Team das Datenmaterial und leitet daraus die wesentlichen Zukunftsthemen ab. In weiterer Folge wird die Bevölkerung eingeladen, bei einer Veranstaltung über diese Zukunftsthemen zu diskutieren. Hier steht im Vordergrund, was die Ergebnisse für die Stadt bedeuten und welche Veränderungen sich daraus ergeben. Im besten Fall bildet sich ein Zukunftsteam, das an der Umsetzung der Themen weiterarbeitet.

Was ist das Einzigartige am stadtpsychologischen Zugang?

Die Stadtpsychologie versteht unter Stadtentwicklung einen Prozess, der einer bestimmten Logik folgt: jede Veränderung ist eine Intervention und diese braucht im Vorfeld eine fundierte Diagnose. Diese Diagnose kann jedoch immer nur mit den Menschen, die in einer Stadt leben, gemeinsam geschehen. Andernfalls besteht die Gefahr, dass die Stadtentwicklung an den Bedürfnissen der Bevölkerung vorbeigeht und sich die Menschen zunehmend weniger mit ihrer Stadt identifizieren, was wiederum für die Stadt insgesamt einen Verlust darstellt.

Auf welche methodische Basis greifen Sie in Ihrer Arbeit zurück?

0-baumgarten _ip_psNeben der Gemeinde- und Umweltpsychologie, die mich sehr beeinflusst haben, gibt es auch Anknüpfungspunkte zur Netzwerkforschung und der Chaostheorie. In der praktischen Arbeit verbinde ich die Methoden der qualitativen Sozialforschung mit Ansätzen der Organisationsentwicklung. Das Kombinieren dieser verschiedenen Einflüsse und Zugänge empfinde ich als notwendige Voraussetzung, denn nur durch eine methodische Vielfalt kann man einem so komplexen Gebilde wie einer Stadt gerecht werden.

Die Stadtpsychologie besteht seit 2001 – was unterscheidet den aktuellen Zugang von früheren Projekten?

Während meine früheren Projekte mehr auf einen Stadtteil oder ein Grätzel bezogen waren, nehme ich jetzt zunehmend die gesamte Stadt in den Blick. Es geht also im Wesentlichen um Stadtentwicklung im großen Stil.

Welche partizipativen Projekte sind demnächst geplant?

Wir sind gerade mit der Stadt München im Gespräch, die Beteiligung ebenfalls stärker forcieren will. In welcher Form wir dort in einem Projekt beteiligt sein werden, steht derzeit noch nicht fest, aber das Interesse aus Deutschland an unserer Arbeit ist momentan jedenfalls sehr groß. Zudem sind wir gerade im Endspurt zur Arbeit am Masterplan für partizipative Stadtentwicklung für die Stadt Wien, der voraussichtlich im Februar 2015 öffentlich präsentiert wird.

Wir danken für das Interview!

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